Dieser Text hat auch schon einige Zeit auf dem Buckel. Als DJ bin ich nicht mehr aktiv, das „Chakra“ gibt es nicht mehr und die Haare sind derzeit auch kurz. Und natürlich hat sich auch der Alltag mittlerweile etwas verändert. Darüberhinaus befindet sich der Laden nun im Luzerner Bruchquartier an der Bruchstrasse 47. Dennoch viel Spass beim Lesen.
Tages-Anzeiger Magazin Nr. 20, 2002, Seite 54
Willie Haas alias Dreamdancer, 36, ist Hexe, Ladenbesitzer, Barkeeper und DJ. Kraft für seine Jobs holt er sich durch Rituale und Meditation.
Fernseher an, das ist mein erstes Ritual am Tag. Andere lesen morgens Zeitungen, ich blättere den Teletext durch, um mich schnell zu informieren, was in der Welt los ist. Dazu brauche ich Kaffee, zwei Brötli oder was halt gerade da ist. Wichtig ist, was dann kommt: mein allmorgendliches Lichtritual.
Viele haben falsche Vorstellungen von dem, was ich als Hexe tue. Denken, ich sässe dauernd im Dunkeln, hätte eine Kapuze auf und triebe Hokuspokus mit einer Kristallkugel. Dabei ist alles ganz anders.
Für mein Lichtritual ziehe ich mich in meinen Meditationsraum zurück. Dort zünde ich Kerzen an für meine Götter, versuche ein bisschen Kraft zu spüren und sage meinen persönlichen Ritualspruch auf. Dann meditiere ich, mal mit einer bestimmten Absicht, mal lasse ich einfach die Gedanken schweifen.
Oft ziehe ich nachher eine Tarotkarte für den Tag. Das ganze Ritual dauert zehn Minuten oder eine Stunde – je nachdem, wann ich aus dem Bett gekrochen bin.
Am Mittag muss ich in der Zwischenwelt sein, meinem Hexenladen mitten in Luzerns Altstadt. Ich verkaufe Hexenbücher, Tarotkarten, Symbolschmuck und Räucherwerk.